Der 28. Juni 2025 ist ein wichtiges Datum. An diesem Tag tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft, das nun auch private Wirtschaftsakteure dazu verpflichtet, ihre Websites und mobilen Anwendungen so zu gestalten, dass alle Menschen gleichberechtigten Zugang haben, unabhängig von ihren körperlichen und geistigen Fähigkeiten. Bis jetzt sind ein Großteil der digitalen Produkte für Menschen mit Einschränkungen oft nur schwer oder sogar gar nicht zugänglich. So ist beispielweise nur ein Viertel der meistbesuchten Webshops in Deutschland in Teilen barrierefrei. Zu diesem Ergebnis kam 2023 eine Untersuchung der Aktion Mensch und Google mit Unterstützung von BITV-Consult und der Stiftung Pfennigparade. Doch auch in anderen Branchen wie Banking, Versicherungen, Transport oder Tourismus gibt es Nachholbedarf. 

Barrierefreiheit: seit zwei Jahren Herzensthema der Star Finanz

Momentan sind viele digitale Dienstleistungen und Produkte so konzipiert, dass Menschen mit Einschränkungen diese nicht vollumfänglich nutzen können, da menschliche Einschränkungen in der Produktnutzung nicht ausreichend berücksichtigt oder betrachtet werden. Die Folge: eine unbewusste Ausgrenzung einer Vielzahl von Menschen, die eigentlich von den inzwischen immensen Möglichkeiten digitaler Produkte und Hilfstechnologien profitieren könnten, da deren Einsatz Menschen wirksam und kostengünstig dabei unterstützen kann, im Alltag selbstbestimmt und selbstständig zu agieren.

Als führender Anbieter multibankenfähiger Online- und Mobile-Banking-Lösungen haben wir die Bedeutung von Barrierefreiheit im digitalen Zeitalter erkannt. Wir unterstützen und beraten Sparkassen und Organisationen der Sparkassen-Finanzgruppe rund um die Themen Barrierefreiheit und Inclusive Design, damit diese wichtigen Aspekte bei der Produktentwicklung und -verbesserung berücksichtigt werden. Dafür wurde vor zwei Jahren das Inclusive Design Lab gegründet. Ziel dieser Initiative ist es, digitale Produkte barrierefrei und inklusiv zu entwickeln sowie bestehende Produkte daraufhin zu optimieren. Mit dem Inclusive Design Lab bündeln wir unsere Kompetenzen und schaffen eine zentrale Anlaufstelle für zum Beispiel UX Reviews, Testing und Coaching rund um das Thema Barrierefreiheit und inklusives Design. Dabei sind Barrierefreiheit und inklusives Design nicht als Synonyme zu verwenden. Barrierefreiheit bezieht sich auf die funktionelle Nutzbarkeit eines Produktes für Menschen mit meist körperlichen Einschränkungen. Inklusives Design wirft dagegen einen holistischen Blick auf die menschliche Diversität und bezieht diese in die Entwicklung von Produkten und Services mit ein und strebt danach, die Vielschichtigkeit der Zielgruppen abzubilden und Bedürfnisse jenseits des gesellschaftlichen Durchschnitts mit einzubeziehen.

Seit 2023 geben wir unsere erworbene Expertise gebündelt in Form von Masterclasses an externe Unternehmen weiter. Die „Inclusive Design Masterclass widmet sich inhaltlich der Entwicklung von barrierefreien und inklusiven digitalen Produkten. Es wird beispielsweise der Unterschied zwischen Barrierefreiheit und Inclusive Design sowie deren Notwendigkeit in der modernen Produktentwicklung aufgezeigt und Einblick in die Besonderheiten und die Vielfalt der Bedürfnisse von Nutzenden mit und ohne Einschränkungen gegeben.

Digitale Barrierefreiheit in der Praxis: eine regulatorische und organisatorische Herausforderung

Im Rahmen dieser Arbeit fällt uns immer wieder eine häufige Fehleinschätzung im Zusammenhang mit Barrierefreiheit auf: Viele Unternehmen denken, dass digitale Barrierefreiheit nur für die rund 8 Millionen Schwerbehinderten in Deutschland relevant ist. Es gibt jedoch eine Vielzahl weiterer Einschränkungen, die nicht erfasst werden, darunter beispielsweise psychische Einschränkungen wie Angststörungen, Depressionen, Aufmerksamkeits-, Konzentrations- oder Lernschwächen und Epilepsie sowie Neurodiversität. Laut Antidiskriminierungsstelle des Bundes lebt in Deutschland rund jeder sechste Mensch mit einer Schwerbehinderung oder einer chronischen Krankheit. Dementsprechend vielfältig sind auch die potenziellen Barrieren in digitalen Produkten. Mangelnde Screenreader-Unterstützung, unzureichender Farbkontrast, fehlende Sprachunterstützung, Videos ohne Audiodeskriptionen, unzugängliche Grafiken oder fehlerhafte oder fehlende Tastaturnavigation sind nur einige Beispiele. 

Orientierung bei der Gestaltung barrierefreier digitaler Produkte bieten beispielsweise die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG), die weltweit als Standard für die Barrierefreiheit im Web gelten und deren Einhaltung vom BFSG gefordert wird. 

Damit eine Website vollständig barrierefrei umgesetzt werden kann, müssen alle Prüfschritte der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) bzw. der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) fehlerfrei durchlaufen werden. Bei den WCAG handelt es sich um internationale Richtlinien, die spezifische Empfehlungen zur Barrierefreiheit von digitalen Produkten geben. Die WCAG-Standards werden anhand von vier Hauptprinzipien strukturiert:

  • Wahrnehmbarkeit: Informationen müssen so präsentiert werden, dass Nutzende sie mit einem ihrer Sinne wahrnehmen können.
  • Bedienbarkeit: Alle Nutzenden müssen ein digitales Produkt navigieren können, damit es als bedienbar gilt. Für Personen, die keine Maus verwenden können, sollte dies zum Beispiel mithilfe der Tastatur oder Sprachsteuerung möglich sein.
  • Verständlichkeit: Informationen und die Anwendung der Benutzeroberfläche von digitalen Anwendungen müssen so gestaltet sein, dass sie für alle User leicht verständlich sind. Dabei geht es um die klare und verständliche Präsentation von Inhalten und User-Interfaces.
  • Robustheit: Robustheit bedeutet eine hohe Kompatibilität der bereitgestellten Inhalte mit den genutzten Benutzeragenten und assistierenden Technologien wie z.B. Screenreadern. 

Die deutsche BITV basiert auf den WCAG, erweitert diese in Teilen jedoch noch und ist teils konkreter formuliert. Unternehmen stehen also vor den Herausforderungen, das BFSG sowohl technisch als auch maximal rechtssicher umsetzen zu müssen – und das im Idealfall natürlich möglichst kosteneffizient. 

Unabdingbar dafür ist die Sensibilisierung und Schulung der Mitarbeitenden, egal ob beispielsweise Entwickler, Product Owner oder Designer. Denn nur so sind sie in der Lage, notwendige Maßnahmen und Anpassungen beurteilen und abzuschätzen zu können, mit welchen Tools sich welche Maßnahmen bestmöglich realisieren lassen, so dass der Weg zur Barrierefreiheit möglichst effizient verläuft. 

Unternehmen, die diese Aufgabe ernst nehmen, profitieren dann in mehrfacher Hinsicht: Zum einen vermeiden sie mitunter teure rechtliche Konsequenzen, zum anderen verbessert sich nicht nur das Google-Ranking, sondern auch die Nutzererfahrung für eine breitere Zielgruppe. Dies stärkt wiederum die Markenloyalität und trägt zu einem positiven Image bei. Denn: Barrierefreiheit in digitalen Produkten schadet keinem, sondern nützt uns allen.

Sie benötigen Unterstützung zur Umsetzung des BFSG, haben Interesse an einer Masterclass oder einer Beratung oder wollen sich grundsätzlich austauschen? Dann sprechen Sie uns gern an:

Doreen Glismann, Senior UX Designerin
doreen.glismann@starfinanz.de